Im Frühling 2018 gibt es Fotos von mir, auf denen ich lache. Ich war zwar nie komplett zufrieden mit meinem Körper – wie viele Frauen eben. Aber ich fühlte mich okay. Ich war draußen unterwegs, ging spazieren, bewegte mich gerne, hatte Kleidung, die mir passte, ein Leben, das einigermaßen rund lief. Ich wusste nicht, dass ich in wenigen Monaten 25 Kilo mehr wiegen würde. Dass ich mit 48 Jahren an einem Punkt stehen würde, an dem alles wankt – äußerlich, innerlich, körperlich, seelisch.

Ich erzähle dir heute meine Geschichte, weil ich glaube, dass wir viel zu schnell urteilen – über uns selbst und über andere. Und weil ich tief in meinem Herzen weiß: Hinter jedem Gewicht steckt ein Weg. Ein Leben. Eine Geschichte.

Ich hatte mein Leben lang Rückenprobleme. Das war nie neu. Ich kannte das. Und ich war stark. Habe trotzdem funktioniert. Mich trotzdem bewegt. Die Schmerzen weggelächelt, wenn es sein musste. Aber irgendwann war es anders. Der Schmerz wurde stärker. Tiefer. Lähmender. Und nichts hat mehr geholfen. Kein bisschen Bewegung, keine Wärme, keine Salbe. Die Nächte wurden unruhiger, die Tage länger. Und die Tabletten mehr.

Dann kam die Diagnose: Ein schwerer Bandscheibenvorfall. Nicht einfach ein bisschen „verrutscht“. Sondern: Operation nötig. Sofort. Ich bekam ein Implantat eingesetzt. Und mit dieser Operation veränderte sich mein Leben.

Was ich damals nicht wusste: Die körperliche Heilung würde das kleinste Problem sein. Viel schwerer wog die Angst, die sich in mir einnistete. Ich hatte Angst, mich falsch zu bewegen. Angst, dass das Implantat verrutscht. Angst vor neuen Schmerzen. Vor Kontrollverlust. Vor dem, was ich meinem Körper nicht mehr zutraute.

Ich wurde stiller. Rückzugsbereiter. Misstrauisch meinem eigenen Körper gegenüber. Und statt rauszugehen, mich zu bewegen, wie ich es früher liebte – blieb ich zu Hause. Ich traute mich kaum, längere Wege zu gehen. Ich mied Treppen. Ich mied Begegnungen.

Gerade, als ich ein bisschen Hoffnung schöpfte, dass es besser wird, kam die Pandemie. Und mit ihr: neue Ängste. Ich hatte Angst vor Ansteckung. Angst vor Krankenhäusern. Angst davor, meinem Körper noch mehr zuzumuten. Und ganz besonders: Angst vor dem Autofahren. Ich kam nicht mal mehr zum Arbeitsplatz. Mein Job im Einzelhandel – den verlor ich.

Denn im Einzelhandel braucht es Präsenz. Freundlichkeit. Standkraft. Ich hatte keine davon mehr. Ich funktionierte nicht mehr. Und auch hier wieder: Ich schämte mich. Hatte Schuldgefühle. Und verurteilte mich für etwas, das ich nicht im Griff hatte.

Ich war zu Hause. Mit Schmerzen. Mit Angst. Mit viel Zeit. Und mit einer Nervensystem-Aktivierung, die man als Dauerstress bezeichnen kann. Mein Körper war im Überlebensmodus. Mein Kopf drehte Schleifen. Und mein Herz sehnte sich nach Trost.

Und da war sie wieder – meine innere Naschkatze. Sie war nicht laut. Nicht gierig. Sondern müde. Und hungrig nach etwas Süßem. Etwas, das ein bisschen Licht bringt. Ein bisschen Weichheit. Ein bisschen Belohnung für all die Tage, die sich wie Kämpfe anfühlten.

Schokolade. Kekse. Pudding. Kleine süße Fluchten, wenn das Leben zu viel wurde. Und es wurde oft zu viel.

Ich hatte keine Bewegung. Kein Ventil. Kein Nervenkostüm. Und dafür viele Medikamente. Schmerzmittel. Beruhigungstabletten. Antidepressiva. Alles ärztlich begleitet – und trotzdem…

Ich fühlte mich wie in Watte. Ich bewegte mich langsamer. Ich aß schneller. Und mein Körper reagierte, wie es Körper nun mal tun: Er legte Reserven an. Zum Schutz. Aus Vorsicht. Aus kluger Körperbiologie.

Und ich dachte immer wieder: Das passiert anderen. Nicht mir. Ich hatte früher ein ganz normales Gewicht. Ich hab mich bewegt. Ich hab Salat gegessen. Aber mein Körper kannte meine Geschichte. Und er hat reagiert.

Ich wollte die Kontrolle zurück. Hab Pulver ausprobiert. Low Carb. Kein Zucker. Viel Wasser. Weniger Kalorien. Alles, was das Netz so hergab. Und ja – ein Kilo ging mal runter. Und wieder rauf. Ich wurde 50. Und plötzlich war nichts mehr so wie früher. Mein Körper machte nicht mehr mit. Und meine innere Naschkatze war immer noch da – treu, zuverlässig, schnurrend, wenn’s schwer wurde.

Ich begann, mich zu fragen: Ist es wirklich der Körper, der geheilt werden muss? Oder ist es etwas Tieferes? Etwas, das mit Würde zu tun hat. Mit Selbstmitgefühl. Mit Loslassen. Mit Frieden schließen.

Ich kann sagen: Ja, ich wiege mehr. Aber ich trage auch mehr. Mehr Leben. Mehr Erfahrungen. Mehr Tiefe.

Ich sehe heute ein anderes Gesicht im Spiegel. Und manchmal ist es noch schwer. Aber viel öfter ist es liebevoll. Ich habe gelernt, meinen Körper zu halten – so wie er mich getragen hat, durch diese schwere Zeit. Ich verurteile ihn nicht mehr. Ich danke ihm.

Und ich danke auch meiner inneren Naschkatze. Sie war nicht schuld. Sie war meine stille Freundin. Sie war da, wenn ich Trost brauchte.

Beurteile niemals einen Menschen nach seinem Körper. Du weißt nicht, was er trägt. Was sie durchlebt hat. Welche Ängste, welche Schmerzen, welche Stillstände.

Du siehst das Gewicht. Aber nicht die Geschichte.

Weil du zugenommen hast. Weil du nicht mehr „funktionierst“. Weil du Süßes brauchst.

Dann atme kurz durch. Und frage dich: Was brauchst du gerade wirklich?

Vielleicht ist es Mitgefühl. Vielleicht ist es eine Umarmung. Vielleicht ist es ein bisschen Frieden mit dir.

Oder vielleicht ist es mein Selbsttest. 🐾

„Bist du eine emotionale Esserin?“ Ein sanfter Einstieg in die Reise zu dir selbst. Kein Urteil. Kein Diätplan. Nur ein paar Fragen. Für mehr Verständnis. Und mehr Herz.

Mit Mitgefühl, Ehrlichkeit und einem großen Stück Zärtlichkeit, deine Patrizia – Naschkatze mit Herz



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